Katherine Polak mit geretteten Hunden

«Dieser Schlachthof glich einer Szene aus einem Horrorfilm»

Interview mit Tierärztin und Leiterin der Streunerprogramme in Südostasien Dr. Katherine Polak

9.3.2020

Wie lange arbeitest du schon für VIER PFOTEN und was ist dein Job?

Ich arbeite seit 2017 für VIER PFOTEN in Asien und bin für die Arbeit mit Haustieren und Streuner in Südostasien zuständig. Ich leite unser Südostasien-Partnerschaftsprogramm, das in Kambodscha, Thailand, Indonesien und Vietnam in Zusammenarbeit mit lokalen Wohltätigkeitsorganisationen Kastrations- und Rettungsaktionen durchführt. Zudem leite ich auch all unsere Aktivitäten im Bereich des Hunde- und Katzenfleischhandels in der Region, einschliesslich Untersuchungen und politischer Lobbyarbeit.

Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei dir aus?

Jeder Tag ist grundverschieden. An manchen Tagen bin ich im Einsatz für SAC-Missionen oder Rettungen und Untersuchungen im Hundefleischhandel.  An anderen, etwas weniger aufregenden Tagen, treffe ich mich mit lokalen Regierungen, schreibe Berichte (insbesondere über den Hunde- und Katzenfleischhandel) und entwickle lokale Strategien zur Bewältigung dieser ziemlich grossen Tierschutzprobleme.

Wann und wie habt ihr von dem Schlachthof erfahren, wo Happy gefunden wurde?

Das war während unserer ersten Untersuchungen des Hundefleischhandels in Kambodscha Ende 2018, als wir von den verschiedenen Schlachthäusern erfuhren, die rohes Fleisch an Hundefleischrestaurants in Phnom Penh lieferten. Es gibt mehr als 100 Hundefleisch-Restaurants in Phnom Penh und durch die Befragung der Besitzer erfuhren wir, dass die meisten von 2-3 grossen Schlachthöfen beliefert werden.

Katherine Polak mit Hund Sopol

Was war euer Plan, als ihr entschieden habt, mit einem Team diese Schlachthöfe zu besuchen?

Wir wollten Filmmaterial beschaffen und mehr über die Geschehnisse auf diesen Schlachthöfen herausfinden. So machten wir uns mit Undercover-Kameras auf den Weg, um zu sehen, welche Informationen wir sammeln konnten.

Wie waren deine Gefühle, als ihr dort angekommen seid? Wie würdest du den Ort beschreiben?

Dieser Schlachthof glich einer Szene aus einem Horrorfilm. Als wir dort ankamen, waren wir überwältigt vom Gestank nach Urin und Fäkalien und von den Geräuschen der Hunde, die winselten und sich in einigen Fällen aus Angst gegenseitig angriffen. Die Hunde waren, wahrscheinlich schon seit Tagen, in den Metallkäfigen eingepfercht. Sie sassen dort und schienen auf ihr Schicksal zu warten, das darin bestand, in einer stinkenden, trüben Wassersgrube ertränkt zu werden. Die Hunde hatten schreckliche Angst, und unsere Mitarbeiter waren am Boden zerstört angesichts dieser Szenen. Es war so überwältigend, dass ein Teammitglied gehen und sich ins Auto setzen musste. Es war einfach zu viel für sie.

Wie war es, mit dem Chef des Schlachthofes zu sprechen?

Es war unglaublich schwierig, vor allem weil es in Kambodscha keine klare Gesetzgebung für den Handel mit Hundefleisch gibt (Wir arbeiten aber daran!). Während wir dort waren, begannen die Mitarbeiter die Ertränkungsgrube vorzubereiten und sie mit zusätzlichem Wasser zu füllen. Wir wussten, dass wir schnell handeln mussten! Der Besitzer war über unsere Anwesenheit vor Ort nicht glücklich, und wir mussten unsere Filmausrüstung verstecken. Wir diskutierten fast eine Stunde, bis wir schliesslich die beiden Welpen mitnehmen durften.

Warum habt ihr euch genau für diese beiden Hunde entschieden?

Wir haben Happy ausgewählt, weil uns klar war, dass er aufgrund seiner geringen Grösse und seines Verhaltens noch ein junger Welpe sein musste. Er winselte und wir hatten regelrecht das Gefühl, er würde uns anflehen, ihn mitzunehmen. Wir konnten ihn einfach nicht zurücklassen. Neben Happy, nahmen wir Hund Lion mit, der emotional verschlossener wirkte.  Es war aber offensichtlich, dass er einmal jemandes Haustier war, das wahrscheinlich gestohlen wurde. Wir waren bei ihm zuversichtlich, dass wir für ihn nach seiner Genesung leicht wieder ein Zuhause finden würden.

Wie haben sich die Hunde verhalten, als ihr sie mitgenommen habt? Dauerte es lange, bis sie Vertrauen zu euch schöpften?

Lion war in einem schockartigen Zustand. Happy war einfach extrem erschöpft, wahrscheinlich von all dem Winseln und Bellen.  Als wir ins Auto stiegen, wickelten wir ihn in eine weiche Decke ein, und er schlief schnell in unseren Armen ein.

Wie habt ihr euch gefühlt, als ihr wieder im Auto gesessen seid?

Wir waren so erleichtert, dass wir die beiden Welpen retten konnten.

Was ist die grösse Herausforderung im Kampf gegen den Hunde- und Katzenfleischhandel?

Eine der grössten Herausforderungen ist allein das unglaubliche Ausmass des Handels, das wirklich überwältigend ist. In dem Schlachthaus, aus dem wir Happy gerettet haben beispielsweise, werden täglich über 100 Hunde auf die schrecklichste Art und Weise getötet. Und dies ist nur ein Schlachthaus von vielen. Jedes Jahr werden mehr als 10 Millionen Hunde und Katzen geschlachtet. Zudem ist es sehr anspruchsvoll, die Regierungen dazu zu bringen, dies als ein tatsächliches Problem wahrzunehmen und sie zu motivieren, etwas dagegen zu unternehmen.

Was ist aus deiner Sicht die beste Strategie im Kampf gegen den Hunde- und Katzenfleischhandel?

Eine multifaktorielle Strategie, die eine effektive politische Lobbyarbeit für Veränderungen und eine Gesetzgebung gegen den Handel umfasst, verbunden mit der Rettung von Tieren, um sowohl Tierleben zu retten als auch ihre Geschichten zu erzählen. Einer der mächtigsten Hebel für Veränderungen ist die öffentliche Gesundheit. Der Handel mit Hundefleisch trägt in hohem Masse zur Tollwut bei. Die ASEAN-Staaten (Verband Südasiatischer Nationen) haben sich verpflichtet, die Tollwut bis 2030 zu eliminieren, aber dies wird niemals geschehen, solange der Handel mit Hundefleisch existiert. Wie wir kürzlich auch bei der Verbreitung des Coronavirus gesehen haben, tragen die Märkte für lebende Tiere in grossem Masse zur Verbreitung und Übertragung neuer Krankheiten bei. Daher können wir die öffentliche Gesundheit als wichtigen Motivator für die Regierungen nutzen, um diesen Handel zu verbieten.

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