«Sehr bald erkannte Pisa, dass sie sich entspannen und ihre Unsicherheit ablegen konnte»
Interview mit Hildegarde Pirker, Tierflegerin von Pisa & Leiterin der Tierschutzabteilung in LIONSROCK
Kannst du dich kurz vorstellen?
Mein Name ist Hildegard Pirker, ich bin 53 Jahre alt und komme aus Österreich. Ich kam 2007 mit den ehemaligen Löwen des Safariparks Gänserndorf nach LIONSROCK. Nach dem Konkurs des Safariparks in Österreich nahm VIER PFOTEN die Löwengruppe auf und wir brachten sie schliesslich nach Südafrika. Für mich ist es kein Job, sondern mein Leben, da ich seit über 25 Jahren mit Wildtieren in menschlicher Obhut arbeite und versuche, ihr Leben zu verbessern. Die Arbeit in LIONSROCK erachte ich als sehr befriedigend, da ich sicherstellen kann, dass sie die beste Pflege erhalten.
Wie sieht ein normaler Arbeitstag in LIONSROCK bei dir aus?
Morgens tausche ich mich mit meinem Team von Tierpflegern aus. An Fütterungstagen unterstütze ich das Team dabei und überwache dabei die Grosskatzen, ob sie irgendwelche Auffälligkeiten zeigen. An manchen Tagen haben wir Tierarztkontrollen, denen ich beiwohne, um informiert zu sein und um die weitere medizinische Versorgung zu besprechen. Mein Schwerpunkt liegt auf den Tieren, die besondere Pflege und Aufmerksamkeit benötigen und deshalb regelmässig überwacht werden müssen.
Worauf muss man im Umgang mit Löwen achten?
Wenn die Tiere in der Rettungsstation ankommen, setzen wir alles daran, dass sie sich schnell an ihr neues Zuhause hier bei uns gewöhnen können. Natürlich müssen wir uns auch um ihre Ernährung und ihre medizinischen Bedürfnisse kümmern. Das ist bei jedem Tier anders, genauso wie ihre Herkunft. Wir müssen auch damit beginnen, ihnen Enrichments zu geben (Anm.: Unter «Enrichment» versteht man die Bereitstellung von umweltbedingten Stimuli, die das natürliche Verhalten der Tiere fördert, verstärkte Kontrolle über ihre Umgebung ermöglicht, Langeweile verhindert und Stress abbaut), da viele von ihnen dies noch nie zuvor erlebt haben. Dann beobachten wir ihr Verhalten und suchen nach Anzeichen von Verhaltensproblemen und passen unsere Pflege ihren individuellen Bedürfnissen an. Es ist auch wichtig, Vertrauen zu den Tieren aufzubauen, wenn sie hier ankommen und sicherzustellen, dass sie wissen, dass sie sicher und gut versorgt sind.
Wann hast du begonnen, dich um Pisa zu kümmern und wie hat sie sich nach ihrer Ankunft verhalten?
Ich kümmere mich seit ihrer Ankunft im April 2019 um sie. Sie wurde aus dem Gaza-Streifen gerettet, einer Region, die sich im Krieg befindet. Anfangs war sie sehr unsicher und schüchtern, aber nach wenigen Wochen wurde sie selbstbewusster. Motan (Anm.: Motan wurde zusammen mit Pisa gerettet und lebt im selben Gehege) und Pisa sind Ausnahmen, wenn es um Tiere geht, die aus Kriegsgebieten kommen. Die neue Umgebung war anfangs fremd für sie und sie mussten, wie jede andere Grossatze auch, eine Anpassungsphase durchlaufen. Aber sehr bald erkannte Pisa, dass dies hier ein besserer Ort ist, wo sie sich entspannen und ihre Unsicherheit ablegen kann.
Wie sieht dein Tagesablauf als Pflegerin von Pisa aus?
Bei LIONSROCK stellen wir unseren Grosskatzen nach der Anpassungsphase ein grosses Naturgehege zur Verfügung, in dem sie tun können, was sie wollen. Wir interagieren auch nicht viel mit ihnen, es sei denn, dies ist aus verhaltensbedingten oder medizinischen Gründen erforderlich. Löwen sind faule Tiere und sind zufrieden, wenn sie einen Partner haben. In den ersten Monaten bekamen Pisa und Motan jeden Tag Futter, das wir langsam auf die normale Routine von 2x pro Woche reduzierten. Ausser der Reinigung ihres Geheges sowie ihres Hauses, der Fütterung und den Enrichments in verschiedenen Formen, brauchen sie im Normalfall nichts von uns.
Haben Motan und Pisa noch Kontakt zueinander?
Motan und Pisa leben immer noch zusammen. Zum Zeitpunkt ihrer Ankunft waren wir unsicher, ob Pisa schwanger sei. Nach einer tierärztlichen Untersuchung wurde das Gegenteil bestätigt und sie wurde sterilisiert. Es dauerte ein paar Tage, bis ihre Wunde heilte, deshalb wurde sie während dieser Zeit von Motan getrennt gehalten. Danach mussten wir die zwei langsam wieder miteinander bekannt machen. Sie haben nach wie vor eine sehr enge Bindung und man sieht, dass sie sich umeinander kümmern. Sie gehen sehr spielerisch miteinander um.
Zeigen die geretteten Tiere manchmal noch Anzeichen aus ihrer traumatischen Vergangenheit?
Jeder Fall ist anders. Bei Pisa und Motan sehen wir eine Fixierung auf Futter. Das liegt daran, dass sie damals in Gaza nie sicher sein konnten, ob und wann sie Nahrung erhalten würden. Sie müssen zeitweise sehr hungrig gewesen sein. Deshalb zeigen sie auch heute noch dieses Verhalten.
Wie würdest du deine Beziehung zu Pisa beschreiben?
Wie alle Tierpfleger von LIONSROCK bin ich mit ganzem Herzen für sie da und setze meine Fähigkeiten für sie ein. Ich habe aber selten eine enge Beziehung zu einem bestimmten Tier, so auch nicht zu Pisa. Sie ist aber eine freundliche und selbstbewusste Löwin, die neugierig ist und generell ihr neues Leben in LIONSROCK geniesst und keine besondere Bindung zu uns Menschen braucht, um sich wohl zu fühlen.
Wie siehst du Pisas Zukunft?
Da wir nicht viel über Pisas Hintergrund wissen, wird es immer einige Unsicherheiten geben in Bezug auf ihre gesundheitliche Entwicklung im Alter. Aber ich hoffe für sie, dass sie noch viele gesunde und glückliche Jahre mit Motan verbringen kann.