Erfahrungsbericht: Was in Kambodschas Hundeschlachthöfen passiert
Eine Geschichte wie in einem Horrorfilm
Es ist der Geruch, den man am schwersten wieder losbekommt. Eine Mischung aus Fäkalien, Verwesung und Tod. Mehr als einmal habe ich meine Kleidung gewaschen, mich geduscht, aber der Geruch scheint zu bleiben – zumindest in meinem Kopf. Dort gesellt er sich zu den furchtbaren Erinnerungen aus fünf Tagen Hundefleisch-Recherche in Kambodscha. Ein Erlebnis für alle Sinne, aber kein gutes. In meinem Kopf sind Bilder von unzähligen, von Angst zerfressenen Hunden. In rostigen Metallkäfigen warten sie auf ihren Tod, der ebenso sicher wie qualvoll ist. Innerhalb von fünf Tagen erfahren wir die ganze Bandbreite an Schlachtungsmethoden: ertränken, ersticken, erhängen, zu Tode prügeln.
Erster Halt
Unser erster Stopp führt frühmorgens zu einem Hundeschlachter in der Nähe von Siem Reap. Als wir ankommen, schlägt er zwei Hunden über den Kopf, bindet jeweils ein Seil um ihre Hälse und hängt sie in einen Baum. Dort zappeln und urinieren sie eine halbe Stunde lang. Dann bleibt ihnen endlich endgültig die Luft weg. Unter dem Baum steht ein Käfig mit einem weiteren Hund, der in einer Ecke kauert. Der qualvolle Tod seiner Artgenossen ist auch an ihm nicht spurlos vorbeigegangen. Der Schlachter bindet die toten Hunde vom Baum los und legt sie auf den Käfig. Der Hund darin zuckt zusammen. Es könnte nicht zynischer sein. Ein harter, aber realer Einstieg in den Horror, der uns noch die nächsten Tage erwartet.
Zwischen Realität und Schock
Auf unserem Weg von Siem Reap in die kambodschanische Hauptstadt Phnom Penh sehen wir mehr Leid als wir ertragen können. Eine Roadshow der Grausamkeiten. Wenn wir die Schlachthäuser betreten, wissen wir nicht, was uns dort erwartet. Wir sehen lebende Hunde, zusammengepfercht und weinend in kleinen Käfigen. Einige von ihnen sind noch Welpen. Wir sehen tote Hunde, die gründlich gewaschen, rasiert, ausgeweidet und zerstückelt werden. Wir hören Hunde kreischen, weil der Käfig, in dem sie sich befinden, gerade langsam in ein Becken voller dreckigem Wasser gelassen wird. Wir sehen Hunde, deren Fell abgezogen wurde und die im Ganzen über offenem Feuer gegrillt werden. Wir sehen Säcke randvoll mit Hundefell. Wir sehen Motorräder, die Käfige mit lebenden, teilweise verletzten Hunden transportieren. Untertags sind wir starr, sind in einem Schockzustand. Das Erlebte scheint nicht echt zu sein. Abends kommen die Bilder hoch, lassen uns nicht einschlafen. Und da ist er auch wieder, der Geruch.
Ein kleiner Trost
Nach zwei Tagen Horror-Show können wir nicht mehr ertragen, stille Beobachter zu sein. Wir wollen aktiv werden, auch wenn wir wissen, dass die Rettung einzelner Hunde keine dauerhafte Lösung ist. Bei einem Hundefleisch-Restaurant entdecken wir einen Hund, angekettet an einem Baum. Er liegt zitternd in einem Schlamm aus Fäkalien und Dreck, seine Ohren sind von Zecken übersäht. Er wagt es nicht, uns anzusehen. Man erklärt uns, dass er morgen erhängt wird. Sein Besitzer hat ihn abgegeben, weil er schlimm war. Er hat Hühner gejagt. Nach langen Verhandlungen übergibt uns der Restaurant-Besitzer den Hund. Wir versprechen ihm, in seinem kleinen Laden Getränke zu kaufen. Sobald der Hund in unserem Auto ist, zeichnet sich Erleichterung in seinem Gesicht ab. Er wedelt freundlich mit dem Schwanz. Er weiss, wir tun ihm nichts. Wir nennen ihn Quentin und bringen ihn zu unserem lokalen Partner «Animal Rescue Cambodia». Am nächsten Tag finden wir drei Welpen in einem Schlachthaus, das wie ein Gruselkabinett wirkt: dunkel, laut schreiende Tiere und übler Gestank. Über dem Wasserbecken, in dem die Welpen später ertränkt werden sollen, ist ein Affe angehängt. Täglich muss er zusehen, wie bis zu 50 Hunde kreischend und kämpfend getötet werden. Wir vermuten, dass er abgerichtet ist, den Käfig mit den toten Hunden aus dem Becken zu fischen. Der Schlachthause-Besitzer erklärt uns, dass er Business-Karten austeilt. Sein Service: Er holt Hunde ab, die sich nicht benehmen oder ihren Besitzern zur Last fallen. Er überlässt uns die drei Welpen, die wir Bene, Baites und Nickie taufen. Wir bringen sie ihn unser Auto, um diesen Ort schnell wieder zu verlassen. Als wir aus der Einfahrt biegen, kommt uns ein Motorrad mit Hunden entgegen. Nachschub wird geliefert.
Getrieben von Armut
Ich möchte wütend sein, aber ich weiss nicht auf wen. Denn der Grossteil der Menschen, die uns einen Einblick in ihr tägliches Leben im Hundefleisch-Handel zeigen, ist nicht stolz darauf. Im Gegenteil, beschämt erzählen sie ihre Geschichten. Sie möchten gerne was anderes machen: Reis anbauen, Gemüse verkaufen, einen kleinen Laden am Strassenrand eröffnen. Allein an den finanziellen Ressourcen fehlt es. Die Armut ist in Kambodscha überall spürbar. Die meisten werden mit dem Hundefleisch-Handel nicht reich, schaffen es aber zu überleben. Gesellschaftlich ist der Handel nicht breit akzeptiert in Kambodscha. Die Menschen schauen herab auf Hundefänger, Schlachter und Restaurant-Besitzer.
Was muss passieren
Kambodscha ist nur ein Beispiel. Der brutale Handel mit Hunde-, aber auch Katzenfleisch, ist genauso präsent in Vietnam und Indonesien. Wir möchten in der westlichen Welt Bewusstsein dafür schaffen, auch wenn es schwer ist, hinzusehen. Nur informierte Touristen können auch ethisch richtige Entscheidungen treffen. Wir wollen nicht, dass diese Länder boykottiert werden, aber Touristen sollen umsichtiger sein. Ein Stück Hunde- oder Katzenfleisch zu essen, ist keine kulturelle Erfahrung, die es abzuhaken gilt. Innerhalb Südostasiens möchten wir zum einem die Menschen unterstützen, einen Ausweg aus dem grausamen Handel zu finden. Zum anderen möchten wir über verantwortungsvollen Umgang mit Haustieren und Streuern aufklären und uns für schärfere Tierschutzgesetze einsetzen. Wir wissen, es ist ein langer Weg und es werden leider noch viele weitere Hunde und Katzen ihr Leben verlieren. Wir geben dennoch nicht auf und kämpfen weiter dafür, dass der Handel mit Hunde- und Katzenfleisch bis 2030 in Südostasien verboten wird. Für Quentin, für Bene, für Baites, für Nickie und für jedes andere namenlose Tier, das Opfer dieses Handels war, ist und sein wird.
Martin Bauer
FOUR PAWS Head of Public Relations InternationalMartin arbeitet im Hauptsitz von VIER PFOTEN in Wien und ist verantwortlich für alle globalen Presse-Aktivitäten. Als Teil des Teams, das sich für die Beendigung des Handels mit Hunde- und Katzenfleisch in Südostasien einsetzt, kommuniziert er wichtige Themen einem breiten internationalen Publikum durch Medienarbeit und die Einbindung von Promineten.